Handwerker in der Corona-Krise: „Ich bin im Kölsche Grundgesetz angekommen“
Dass die Corona-Krise Handwerksbetriebe in finanzielle Nöte bringen kann, ist kein Geheimnis. Wie gehen die betroffenen Betriebe jedoch mental damit um? Was geschieht mit Familienbetrieben, wenn durch die Corona-Krise die Existenz auf dem Spiel steht? Kim und Daniel Olli vom Installationsbetrieb Meister Olli aus Bergisch Gladbach berichten von ihren Erfahrungen mit der Corona-Krise. Sie meistern die Lage vor allem durch die selbst gewählte Isolation als Schutz vor den Infektionsrisiken.
Zentrum: Liebe Kim, lieber Daniel, Ihr leitet die Firma Meister Olli, einen Installationsbetrieb hier in Bergisch Gladbach. Was war Eure spontane Reaktion, als Ihr vom Shutdown gehört habt?
Kim: Für mich war es ein Schock. Von heute auf morgen wurde uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Schule aus, Kinder zu Hause, ich war quasi Alleinerziehend. Als Angestellte unseres Betriebes fiel ich mindestens zu 50 Prozent aus.
Daniel: Ich nahm es weniger dramatisch wahr. Ich dachte, es wird schon nicht so schlimm, mal sehen was da kommt. Den Kopf in den Sand stecken – das bringt nichts. Es hätte mich nur Kraft und Energie gekostet.
Zentrum: Wie entwickelte sich seither die Auftragslage?
Daniel: Unsere Hauptkunden fielen weg. Vor allem Hausverwaltungen und Fitness-Center. Es blieben Notfall-Einsätze. Sanitär und Heizung müssen ja auch in der Corona-Krise funktionieren. Caterer sind da schlimmer dran. Dennoch – nur mit Notfällen kann man den Betrieb nicht am Laufen halten.
Kim: Daher haben wir auf Kurzarbeit gesetzt und Soforthilfe beantragt. Das schafft etwas Sicherheit. Wenn auch die Ungewissheit bleibt, wie die Hilfen eingesetzt werden können. Wir wollen nichts behalten, was uns nicht zusteht. Dies kann trotz aller Unterstützung auch belastend sein: Der Gedanke an die Rückzahlung der Hilfen.
Für mich habe ich da jetzt schon eine Lehre gezogen: Wenn möglich immer Rücklagen bilden. Und einer im Familienbetrieb sollte immer ein zweites Standbein haben.
Zentrum: Wie war und ist die allgemeine Gefühlslage während der Corona-Krise: Zuversicht, Angst, Resignation, Jetzt-erst-recht-Gefühl?
Daniel: Von „jetzt-erst-recht“ kann keine Rede sein. Wir hatten und haben die Situation ja nicht in der Hand. Wir planen quasi auf Sicht und schauen, was die Tage bringen. Angst hatte ich nie. Ich habe mich immer in meiner Haltung bestätigt gesehen, dass es schon nicht so dramatisch wird. Aber man muss auch anerkennen, dass es vielen Infizierten deutlich schlechter ging. Wir hatten bis jetzt einfach Glück.
Kim: Bei mir ist die Sorge irgendwann in Gleichgültigkeit umgeschlagen. Die Angst vor dem Virus war verflogen. Und dann bin ich irgendwann im Kölsche Grundgesetz angekommen – Et hätt noch emma jot jejange! (Es ist noch immer gut gelaufen!). Mit dieser Haltung geht es mental einigermaßen.
Zentrum: Gab es in der Krise einen Punkt, an dem Ihr umsteuern musstet, wo Ihr dachtet „jetzt-geht-nichts-mehr“ oder gar „jetzt-sind-wir-über-den-Berg“?
Daniel: Weder noch. Der Weg ist das Ziel. Wir haben gut reagiert, als Team und Familie funktioniert. Das war unsere mentale Basis. Klar gab es immer mal wieder Rückschläge wie unerwartete Zahlungen, die unsere Planungen wieder über den Haufen warfen. Oder den Firmenwagen, den wir vor der Krise bestellt hatten und der während Corona dann auch übernommen werden musste. Das hat uns aber nicht aus der Bahn geworfen. Das Organisatorisch-Finanzielle ist das eine, unsere positive Haltung das andere.
Zentrum: Spielt die Angst vor Infektionen im Arbeitsalltag eine Rolle? Gab es diesbezüglich heiße Phasen, wo an Quarantäne gedacht werden musste o.ä.?
Kim: Das war einer der entscheidenden Punkte, den wir bei Corona berücksichtigen mussten. Würde Daniel als Meister sich infizieren, fiele der Betrieb komplett aus und der Umsatz würde zu 100 Prozent einbrechen. Das war zu Beginn unsere größte Sorge.
Daniel: Daher haben wir am Anfang der Krise beschlossen, dass ich in eine selbst gewählte Isolation gehe. Ich lebte und schlief also im Betrieb und fuhr von dort zu den Baustellen. Kim und die Kinder blieben im Haus.
Kim: Richtig: So senkten wir das Risiko einer Infektion und erhöhten unsere Chancen, dass wir nicht dicht machen müssen. Das hätte ja das Aus bedeutet. Es hat letztlich auch funktioniert. Selbst an Daniels Geburtstag. Da kam nie schlechte Stimmung auf. Wir wussten: Da müssen wir durch. Ein Familienbetrieb ist ein Familienprojekt, da ziehen alle an einem Strang.
Zentrum: Wie hieltet Ihr Kontakt?
Daniel: Über Videokonferenzen. Die Kids fanden das klasse. Und ich kam damit auch super über die Runden.
Zentrum: Wie geht Ihr mit den Sorgen und Nöten in der Krise um? Ein Plausch mit Kollegen, mit Kunden, zu zweit nach Feierabend? Was ist da Eure Strategie? Und wie tankt Ihr Kraft, wenn die Luft raus ist?
Daniel: Ich spüre für mich da keinen Bedarf. Eine Runde auf dem Motorrad drehen oder Sport machen, das war es. Stammtisch oder einen Schwatz bei den Kameraden der Feuerwehr – das geht ja immer noch nicht aufgrund der Abstandsregeln. Ich versuche mir keine Gedanken zu machen. Frust würde mir nur die Lebensenergie rauben.
Kim: Die Zeit für Sorgen kommt vielleicht noch. Derzeit habe ich kein Ventil, um Dampf abzulassen. Vielleicht einen Spaziergang mit dem Hund, mehr nicht. Und wenn es uns und den Kindern gut geht, dann geht es auch mir gut. Wir müssen da jetzt weiter durch.
Das Interview führte Holger Crump für das zentrum für psychische gesundheit und wohlbefinden in Bergisch Gladbach unter der ärztlichen Leitung von Michael H. Lux.
Den Meisterbetrieb von Kim und Daniel Olli findet man unter www.meister-olli.de
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