Meditation in der Schule: Kluge Strategie für mehr Glück und Widerstandsfähigkeit
Veronika Schoop ist Lehrerin für Philosophie und Latein am Dietrich Bonhoeffer Gymnasium in Bergisch Gladbach. Neben ihren eigentlichen Fächern bietet sie auch ein „Training für den Geist“ in einem eigens eingerichteten Meditationsraum der Schule an. Es führt zu positiven Effekten bei Konzentration und Empathie. Unter wissenschaftlicher Begleitung soll im Herbst die Ausbildung weiter LehrerInnen stattfinden.
Zentrum: Frau Schoop, wie kamen Sie auf die Idee, Meditation in Ihrer Schule anzubieten?
Schoop: Kinder sind in einer ständigen Entwicklungsphase und stehen gleichzeitig unter enormem Druck, den eigenen Erwartungen und denen anderer gerecht zu werden. Zudem definieren wir uns in der Gesellschaft zu sehr über das, was außen ist. Wenn wir dem Druck nicht gewachsen sind, kann dies mit Überforderung einhergehen – heute spricht man auch von burn-out – und es besteht die Gefahr psychischer Erkrankungen wie Ängsten, Depressionen, Sucht oder Essstörungen.
Es gilt daher gerade in der Entwicklungsphase, kluge Strategien zu entwickeln, die uns glücklicher und widerstandsfähiger machen. Meditation ist hierfür eine seit über 2000 Jahren bewährte und wissenschaftlich fundierte Methode, die jeder Mensch lernen kann und die überall ohne Hilfsmittel praktiziert werden kann. Meditation ist ein Weg, um nach innen zu schauen und im Sinne einer Selbstfürsorge den Geist zu stärken.
So können wir uns von äußeren und inneren Umständen unabhängiger machen, können Emotionen besser regulieren und können gesündere Beziehungen zu anderen aufnehmen. Im Gehirn hat dies eine Reihe von gesunden Effekten zur Folge: Wir sind ruhiger, konzentrierter, empathischer und Stressreaktionen des Körpers nehmen ab (um nur einige Beispiele zu nennen). Wir achten auf unseren Geist und trainieren ihn so, wie wir unseren Körper trainieren.
Und da Kinder eben so leicht lernen können, weil das Gehirn in jungen Jahren eine hohe Plastizität aufweist, liegt die Idee nahe, in der Schule den Geist zu stärken, um so unabhängiger von äußeren Umständen zu sein.
Zentrum: Erinnern Sie sich noch an das erste Mal: Wie sind Sie eingestiegen, wie reagierten die Schüler:innen?
Schoop: Ja, das war vor einigen Jahren in einem sehr unruhigen Kurs. Die SchülerInnen waren unausgeglichen, schnell abgelenkt und untereinander oft gereizt. Da ich durch die praktische Philosophie, meine Meditationsgruppe, die ich leite, weiß, was Meditation bewirken kann, habe ich es einfach ausprobiert.
Sie haben damals einfach erzählen können, was gerade in ihren Köpfen herumschwirrt. Daraufhin habe ich eine Klangschale angeschlagen. Nachdem die SchülerInnen auf den Ton gehört haben, beschrieben sie, dass das Gedankenchaos sich gelegt hatte. Der Wunsch, dies auch vor Klassenarbeiten auszuprobieren, kam dann seitens der SchülerInnen schnell auf. Und so wurden diese Übungen zum Selbstläufer.
Zentrum: Meditation bei Schüler:innen – gehen Sie da anders vor als bei Erwachsenen?
Schoop: Das Grundprinzip ändert sich nicht. Aber genau, wie man Latein an der Universität anders lehrt, als in der siebten Klasse, passt man natürlich auch hier entsprechend an. Die Übungen sind spielerischer und die Erklärung auf philosophischer und neurowissenschaftlicher Ebene werden weniger abstrakt und nehmen vom Umfang her zu, je älter die SchülerInnen sind.
Zentrum: Findet Meditation in der Stunde statt, z.B. für 10 Minuten, oder schaufeln Sie dafür eine ganze Schulstunde frei?
Schoop: Im Unterricht meditieren wir meist nur fünf Minuten. Einer der großen Meditationslehrer Yongey Mingyur Rinpoche sagt „Short times, many times“. Also lieber öfter am Tag und kurz, als (zumindest am Anfang) sich mit langen Übungen zu überfordern.
Um den Körper fit zu halten, trainiert man ja auch nicht direkt mit den größten Hanteln, sondern fängt vielleicht damit an, eine Kiste Wasser die Treppe hochzutragen.
Zentrum: Ihre Schule hat einen Meditationsraum – darf man da einfach hinein?
Schoop: Die Verlockung ist natürlich groß, in den gemütlichen kleinen Raum zu gehen und dort auf den Meditationskissen-/matten „abzuhängen“. Die SchülerInnen müssen erst eine Zugangsberechtigung für den Raum erwerben: Den Meditations-Führerschein. Diesen erwerben sie nach vier Stunden, in denen sie thereotische und vor allem praktische Grundlagen lernen und meditieren üben.
Die SchülerInnen formulieren u.a. auch das, was sie sich im Meditationsraum wünschen, so dass für alle die gleichen Regeln gelten. Mit dem Führerschein verpflichten sich die Schüler auch, den Raum nur für die Meditation zu nutzen, damit sie neben Lehrplänen im Unterricht und Lärm auf dem Schulhof einen Ort der Stille finden.
Zentrum: Was macht die Meditation mit den Kindern, in punkto Sozialverhalten, Unterricht?
Schoop: Durch bestimmte Übungen schult Meditation auch Empathie und Mitgefühl. In dem bereits erwähnten Kurs, mit dem ich angefangen habe, zu meditieren, wurde im Laufe der Zeit die Atmosphäre angenehmer. Die SchülerInnen wurden einander zugewandter. Was nicht heißt, dass nicht auch immer noch manchmal die Fetzen fliegen.
Durch die Meditation finden wir auch den Zugang zu negativen Emotionen und lernen, damit umzugehen. Aber die Grundstimmung beschreiben die SchülerInnen selbst (und auch ich) viel positiver.
Zentrum: Wie reagieren Eltern und Kolleg:innen auf das Angebot?
Schoop: Die Resonanz ist sehr positiv, viele Eltern und KollegInnen haben Interesse an dem Projekt. Da die Anfrage so groß ist, ist im Spätsommer/Herbst ein Pilotprojekt geplant, um wissenschaftlich begleitet, eine Ausbildung für LehrerInnen durchzuführen.
Viele Eltern fragen an, ob es auch eine Meditationsgruppe für die Elternschaft geben könne. Auch das gehen wir gerade in einem Hybridkonzept an.
Zentrum: Passt Meditation überhaupt in Schule im 21. Jahrhundert, die ja nicht zuletzt mit Dingen wie G12 eher auf Effizienz, Leistung, Druck ausgerichtet ist? Wo die Digitalisierung aktuell sehr hochgehalten wird und entsprechend ausgerüstete Schulen einen starken Zulauf verzeichnen?
Schoop: Um den Schulleiter vom DBG zu zitieren „Gerade in der Zeit der Digitalisierung brauchen wir einen Ausgleich, ein Angebot“. Genau die geforderte Effizienz und der Leistungsdruck sind das, was von außen kommt: Wir versuchen dem Außen gerecht zu werden und schauen nicht auf unser Inneres.
Bei den Meditationsübungen lernt man auf einer praktischen Ebene, auf Emotionen, Drucksituationen o.ä. zu schauen und so eine Distanz zu dem aufzubauen, was äußere Umstände an Emotionen und Gedanken in einem selbst hervorrufen. Dadurch sind die SchülerInnen sehr viel besser den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen.
Zentrum: Sie wollen künftig auch Kunst und Meditation miteinander verbinden: Wie stellen Sie sich das vor? Was geschieht dabei?
Schoop: Das Projekt hat den Arbeitstitel „hochkonzentriert und selbstvergessen“. Wir zeigen den SchülerInnen durch basale Meditationstechniken, wie sie ihr Gedankenkarussel im Alltag beruhigen können, um den Geist dann auf kreative Prozesse zu fokussieren und sich ganz auf das eigene künstlerische Schaffen einzulassen.
Zentrum: Achtsamkeit ist in einigen Ländern ein Unterrichtsfach. Sehen Sie in Deuschland diesbezüglich Nachholbedarf?
Schoop: Definitiv. Deutschland hat diesbezüglich Entwicklungspotenzial. Und das wollen wir mit unseren Projekten im wahrsten Sinne in die Köpfe einer/s Jeden bringen.
Das Interview führte Holger Crump für das zentrum für psychische gesundheit und wohlbefinden in Bergisch Gladbach unter der ärztlichen Leitung von Michael H. Lux.
Weitere Interviews mit Veronika Schoop im Radio:
WDR und Deuschlandfunk
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